Autor: Henri du Vinage
Oktober 2019
Deutschland
Ein Kuriosum erwartet uns an der Mosel in Cochem. Der von einem privaten Investor sanierte Bundesbank-Bunker steht offen für eine Zeitreise in die 1960er und 1970er-Jahre. Die Zeit des "Kalten Krieges".
Nach Abschluss der letzten Rheinsteigtour fahren wir auf der Hunsrückhöhenstraße, einer dünn besiedelten Region, an die Mosel. Nach der Fahrt durch die von Tälern und Hügeln zerfurchten Landschaft, die bis zu 800 Meter über den Meeresspiegel in die Höhe ragt, erreichen wir am Abend die Stadt Cochem.
Schweiß und Staub vom Körper duschen, auf dem Bett ausstrecken, entspannen, um dann später Cochem by night zu entdecken. Ausgeruht überqueren wir die Moselbrücke, bleiben für einen Moment stehen und ergötzen uns am dunklen Gewässer, den Uferbeleuchtungen, den Ausflugsdampfern und den mit Lichterketten geschmückten Partykähnen. Über der Stadt thront die Reichsburg, zeigt bei Dunkelheit im Scheinwerferlicht Pracht und Dimension und ihr gegenüber, auf dem Berg Pinner, leuchtet das Pinnerkreuz. Der Legende nach erstellt zu Ehren eines Schafhirten, der seine Tiere vor dem Absturz retten wollte. Die Tiere überlebten, der Hirte nicht. Tagsüber fährt die Seilbahn nach oben. Ein Wanderweg für die Sportlichen führt durch die Weinberge. Nach 17 km Rheinsteig, platt gelatschten Füßen, ausgeleierter Hüften und verkrampfter Muskulatur bevorzugen wir einen gefüllten Teller und ein volles Weinglas.
Viele Touristen aus den Niederlanden, Belgien, England, wir hören sogar die portugiesische Sprache und treffen Japaner und Chinesen an, durchstreifen die Altstadt, bewundern die Fachwerkhäuser und kehren in die zahlreichen Gasthäuser mit landestypischen Speisen ein. Der Deutsche isst Haxe, Schnitzel und Sauerkraut. Ausländer nehmen an, dass wir jeden Tag Sauerkraut mit Haxe oder Bratwurst essen. Dabei stimmt das überhaupt nicht. Nur jeden zweiten Tag. Wir kehren ein, essen, trinken und planen den nächsten Tag. Die Müdigkeit treibt uns zurück auf die andere Uferseite. Im Stadtteil Cond übernachten wir.
Ausgeschlafen und im Anschluss an das „Frühstück nach unseren Wünschen“ laufen wir, die Muskulatur braucht leichte Bewegung, gen Reichsburg. Die Sonne scheint, aber es sind nur knapp 10 Grad, so dass wir warm eingepackt sind. Durch die Altstadt, am Rathaus und Markt vorbei, führt die ausgeschilderte Straße berghoch zur Burg. Wir kommen ins Schwitzen und entledigen uns des Zwiebeldresses: Jacke, Pullover und Wollhemd. Das T-Shirt reicht. Nass geschwitzt kommen wir oben an, gerade rechtzeitig zur Führung in Deutsch. Die Zollburg wurde im 12. Jh. errichtet, im 17. Jh. von französischen Truppen zerstört und erst im 19. Jh. erwarb sie der Millionär und Philanthrop hugenottischer Abstammung Louis Fréderic Jacques Ravené. Die Ravenés wurden reich durch den Metallhandel. 1942 musste der Sohn Louis Fréderics die Burg an den deutschen Staat verkaufen und erst seit 1978 ist sie im Besitz der Stadt Cochem. Heute dient sie als Touristenmagnet, Museum und Eventlocation für Hochzeiten, Firmenfeiern und Geburtstage.
Den frühen Nachmittag reservieren wir für den Bundesbank-Bunker. Ein Kuriosum, welches uns zurückversetzt in die Zeit des Kalten Krieges. Von 1964 bis 1988 lagerte hier eine Notwährung, da die Regierung befürchtete, dass Russland die Bundesrepublik mit Falschgeld überfluten wolle, um die deutsche Wirtschaft zu destabilisieren und die Bevölkerung zu verunsichern. In den Bunkeranlagen lagerten bis zu 15 Milliarden D-Mark, welche jederzeit, bei gleichzeitiger Entnahme der Vorgängerwährung, inklusive der russischen Fälschungen, als neues Geld auf den Markt hätte gebracht werden können. Auch die Angst vor einem Atomwaffenanschlag war enorm. Der Bunker galt nach dem damaligen technischen Stand als sicher vor einem atomaren Angriff. Bis zu 80 Zivilisten und Mitarbeiter hätten im Berg für eine gewisse Zeit überleben können. Von Betten über hygienische Anlagen, von Lebensmitteln bis zur Wasserversorgung, von Gemeinschaftsräumen bis zu Büros hatten die Erbauer an alles gedacht. Vor einigen Jahren erwarb ein privater Investor den Bunker, sanierte und öffnete die Anlage zur Dokumentationsstätte und die ehemaligen Tarnhäuser zum stylishen „Hotel Vintage am Bundesbank-Bunker“. Eine Zeitreise in die 1960er-Jahre.
Das Thema Kalter Krieg lassen wir sacken und ich werde mir bewusst, dass ich als Kind, Jahrgang 1955 in Berlin geboren, die Erwachsenen vom Krieg sprechen hörte. Die Kriegstraumata waren damals ein lebendig-trauriges Thema.
Zurück in die Gegenwart, in die schöne Stadt Cochem und in das Bewusstsein, dass wir in Deutschland seit fast 75 Jahren in Frieden leben. Was haben wir für ein Glück! Am Abend verabschieden wir uns von Cochem. Der Mann unserer Gastgeberin Christiane betreibt wahrscheinlich das beste italienische Restaurant der Stadt. Erst im zweiten Anlauf finden wir es. Am Ende der Straße in Richtung der Burg finden wir den „Italiener“. Eine große Terrasse und ein mittelalterlicher Gewölbekeller laden uns ein. Das Saltimbocca a la romana ist deliziös. Dünn geschnittenes Kalbsschnitzel belegt mit feinen Scheiben des luftgetrockneten Schinkens und dazu frische Salbeiblätter, welche mich an den Strauch in unserem heimischen Garten erinnern. Wir entscheiden uns für einen italienischen Hauswein. Das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt, wir fühlen uns wohl und kommen mit den Gästen am Nachbartisch ins Gespräch. Wir sprechen mit der Juniorchefin des Weinguts Willi Fett. Das Baby strahlt uns an, lässt sich durch das Gastronomiewirrwarr nicht aus der Ruhe bringen, keine Tränen nur das fröhliche Lachen eines Winzerkindes. Zeitlich klappt es nicht die Winzerfamilie zu besuchen. Wir heben es uns für das nächste Mal auf. Es steht jedoch fest, dass es bei einer so netten Familie prima Weine gibt.
TIPP 1: Bundesbank-Bunker Cochem, Am Wald 35, 56812 Cochem-Cond
Tel.: 02672-9153540
Anfahrt: mit dem BunkerShuttle, Hin- und Rückfahrt 4 €, zu Fuß oder mit dem PKW.
Eintritt: Erwachsene 10 €, Familie 23 € (auf der Webseite checken). Eintritt nur mit Führung.
Öffnungszeiten vor Besuch prüfen.
TIPP 2:
Fremdenzimmer Haus Christiane, Zehnthausstr. 27, Cochem-Cond.
ÜN: ca. 80 €/DZ
großes Zimmer, Couch, TV, Kühlschrank für Wein. Reichhaltiges Frühstück, Wünsche werden berücksichtigt. Christiane ist sehr hilfsbereit.
Tel.: 02671-917359
Restaurante Castello Cochem, Oberbachstr. 55, 56812 Cochem
Tel.: 02671-4122
Täglich 11.00-14.30; 17:00-23.30
TIPP 3:
Weingut Willi Fett, Goldbäumchenstr. 26, 56821 Poltersdorf
Tel.: 02673-1465, info@weingut-willi-fett.de
Gästezimmer und Ferienwohnungen
Liebe Ana Maria, lieber Henri! (Sonntag, 27 Oktober 2019 16:04)
Durch diesen informativen, aber nicht ausufernden, mit kleinen persönlichen Erfahrungen durchsetzten, ja interessanten Kurzreisebericht haben wir Lust bekommen, wieder einmal das schöne Städtchen mit Umland neu zu erkunden.
Viele liebe Grüße
Werner und Karin.
Steffi Wolligger (Samstag, 26 Oktober 2019 22:50)
Lieber Henri,
Liebe Ana Maria,
Ein sehr schöner Bericht über Cochem und vielen lieben Dank für die sehr lieben Worte über unseren Jakob und unser Weingut. Wir freuen uns schon mit euch ein gutes Glas Moselwein bei uns trinken zu können....Liebe Grüße Steffi, Erwin und Jakob