Autor: Henri du Vinage
März 2017
Spanien
Die Naturgewalten haben aufregende Spuren hinterlassen. Spaniens höchster Berg, El Teide - 3.718 Meter, erzählt von seiner Geburt.
In 6.500 Metern Tiefe beben die Böden des Atlantiks mit einer für Menschen unvorstellbaren Kraft. Das Wasser brodelt, kocht und sprudelt unter den hohen Temperaturen der Lava. Unzählige Milliarden Tonnen flüssigen Vulkangesteins ergießen sich auf dem Atlantikboden, verschmelzen zu Unterwasserlandschaften bis sie sich wagen, erste Gewächse aus dem Meer in die eiskalte Luft zu strecken. So haben sich die Kanarischen Inseln geformt. Teneriffas Schwesterinseln Fuerteventura und Lanzarote sind bereits vor 22 - 15 Millionen Jahren erwachsen. Vor 14,5 - 11 Millionen Jahren erspähten Gran Canaria, La Gomera und Teneriffa das Tageslicht und die Nachzügler La Palma und El Hierro erblickten die Meeresoberfläche vor 2 - 1,2 Millionen Jahren. Ich möchte mir ein Bild davonmachen, was für eine Landschaft die gewaltigen Kräfte der Natur hinterlassen haben. Die Erdoberfläche bebt manchmal und Teneriffas Vulkan gilt als aktiv, auch wenn er seit Jahrhunderten im Tiefschlaf liegt.
Der Pico del Teide, der mit 3.718 Metern höchste Berg Spaniens, lässt sich bei klaren Wetterverhältnissen von Teneriffas Norden in der vollen Größe bewundern. Die Wolkenformationen, Lichteinstrahlungen und Wetterlagen ergeben ein immer wieder neues, fabelhaftes Naturschauspiel. Die Spitze des Berges ist häufig mit Schnee bedeckt. Der Fotoapparat ist im Anschlag um keine, auch noch so kleine, optische Veränderung zu verpassen.
Von Puerto de la Cruz, nicht zu verwechseln mit der Hauptstadt Santa Cruz, nehme ich die frühzeitig ausgeschilderte Straße über La Orotava, mit der für mich schönsten Altstadt Teneriffas. Der Himmel und der Blick sind glasklar. Bestens geeignet zum Entdecken des Vulkans. Trotzdem entscheide ich mich für einen kurzen Stopp, denn die Barockbauten in La Orotava rauschen einfach zu schnell an mir vorbei. Entschleunigt erklimme ich die hügeligen, steilen Straßenzüge, die Luft des Winters ist frisch, im Schatten machen sich die 350 Höhenmeter bemerkbar, doch die Sonne verfügt über Kraft, so dass ich bald schwitze.
Dem Plaza de la Constitución, Platz der Verfassung, entlang gelange ich in die Altstadt. Einen Parkplatz finde ich erst später hinter dem Casa del Turista, kostenfrei auf einem Acker. Von hier aus ziehe ich los, um mir über die Altstadt einen Überblick zu verschaffen. Ich gehe ins Casa del Turista, eines der schönsten Balkonhäuser der Stadt. Im Inneren des Hauses wird der allgemeine Touristenkitsch neben Kulinarischem verkauft. Trotzdem lohnt es sich das barocke Haus mit Terrasse, Garten und der aktiven Töpferei zu bestaunen. Wenn ich mehr Zeit hätte, der El Teide ruft schließlich, würde ich im Restaurant des Casa de los Balcones einkehren und landestypisch speisen. Ich riskiere einen Blick in das Interieur. Im Inneren des Gebäudes sind stylische Restaurationen mit viel Geschmack gestaltet und die Höfe bieten Plätze zum Verweilen und Vergnügen an. Im Obergeschoss verkaufen die Betreiber Möbel, Antiquitäten und Wohnungsdekoration. Im Museo de las Alfombras, das dritte der wunderschönen Balkonhäuser, wird das Handwerk über die Entstehung des Fronleichnamteppichs gezeigt. Die Alfombristas, Teppichleger, gestalten mit koloriertem Lavasand ein Kunstwerk. Auf 1.000 qm komponieren die Künstler aus zwei Tonnen gefärbtem Sand ein Gemälde für die Feierlichkeiten zur Fronleichnamsprozession. Leider drängt die Zeit. Ich entschließe mich, zum El Teide aufzubrechen und mir auf dem Rückweg La Orotava by night anzuschauen.
In Serpentinen geht es dem Vulkan entgegen. Zwischenstopps, Luft anhalten, den berauschenden Blick auskosten, Foto schießen und weiter. Der Weg führt an Weinfeldern und landwirtschaftlichen Betrieben vorbei. Der Duft von Kieferwäldern dringt ins Auto, bis ich oberhalb der Wolken bin. Mir kommt Reinhard Meys Song in den Sinn: »Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen, und dann, würde was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.« Diese Beschreibung passt genau auf meine Gefühle und Gedanken hier oben.
Die Straßen der Gebirgslandschaft sind gut ausgebaut, trotzdem empfiehlt es sich, bei den engen Landstraßen achtsam zu fahren. Busse, LKW und Radfahrer sorgen für verengte Straßen. Das UNESCO Weltnaturerbe verblüfft mit riesigen Kratern, dünenähnlichen Hügeln, erkaltete Lava türmt sich zu fantasievollen Formationen auf und die chemische Zusammensetzung des erkalteten Lavaschwalls erleuchtet in Orange-, Grün-, Schwarz- und Violetttönen. Ist das noch unsere Welt? Stundenlang möchte ich hier sitzen, staunen und mich über die Schönheit der Mutter Erde erfreuen.
Mein Auto ist auf 2.400 Höhenmetern geparkt. Von hier fährt die Seilbahn nochmals 1.000 Meter in die Höhe. Oben liegt Schnee, obwohl es hier unten in der Sonne 18°C sind. Im Schatten ist es kalt und der Wind verstärkt das Gefühl der Kälte. Plötzlich wird mir schlecht, schwindelig und der Magen dreht sich um die eigene Achse. Ich ruhe mich auf der Steinmauer am Eingang der Seilbahn aus und hoffe, dass ich gleich fitter bin. Aber es geht mir nicht besser. Traurig ringe ich mich durch, den Rückweg anzutreten. Einige hundert Meter tiefer fühle ich mich wohler. Ich turne auf den Lavafelsen herum und staune, staune, staune.
Das nächste Mal bereite ich mich besser vor. Oder lag es an dem Bocadillo mit Schinken, Käse und Mayo. Der hat doch irgendwie komisch geschmeckt.
Tipp 1:Kleidung für alle Wetterbedingungen und stabiles Schuhwerk darf nicht fehlen.
Tipp 2: Zeit mitbringen. Im Sommer überfüllt. Lange Wartezeiten an der Seilbahn. Im Winter 1 -2 Stunden einplanen.
Tipp 3: Einstimmen im Besucherzentrum Cañada Blanca/Parador
Tipp 4: Hochgebirgsverhältnisse mit schnellen Wetterveränderungen. Achtsamkeit bei Wanderungen. Es kommt immer wieder zu schweren Unfällen.
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Werner Gollbach (Mittwoch, 03 Mai 2017 18:18)
Hallo, Henri, eine wunderschöner Reisebericht von eurer Teneriffa-Reise. Wir fühlen uns beim Lesen wieder an unsere Besuche auf der Kanaren-Insel vor einigen Jahren zurück versetzt, und der Wunsch, wieder einmal die Insel mit ihren Gegensätzen zu besuchen ist neu entflammt. Vielen Dank für die schönen Eindrücke!
Liebe Grüße
Werner